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Version vom 30. Juni 2019, 17:20 Uhr
Hauptseite >>> Pen & Paper >>> PnP-Schriftwerke >>> PnP-Schriftwerke-(CoC) Upton Abbey
(Autor: Zed)
- SPOILERWARNUNG
Nachfolgende Story beinhaltet Informationen aus dem Call of Cthulhu Kaufabenteuer: Upton Abbey
Allgemeines
Abenteuer: Upton Abbey (ein Call of Cthulhu Kaufabenteuer)
Spieler:
- Theobald Wallace - Der Butler (chinchillah)
- Frederic Sterling - Der Sekretär (Zed)
- Charles Fauntleroy - Der Kammerdiener (Hyper)
- Ben Cobb - Der Stallbursche (Mord)
- Gerty Hastings - Das Hausmädchen (Tinkerbella)
- Agnes Sauertopf - Die Köchin (Tommy)
Spielleiterin: MrsPineapple
System: Call of Cthulhu
Teil I
Tagebuch Frederic Sterling, 24. Dezember 1912, 7:34 pm
Das Haus ist still. Wo freudige und festliche Stimmung herrschen sollte, drängt Verständnislosigkeit
und Schock die Herrschaften und die Dienerschaft in ihre Zimmer und in die fassungslose Stille. Nur
ein unbändiger, grausamer Sturm tobt vor den Fenstern, als wolle er die Welt in den Untergang
reißen. Das Fest der Liebe ist zu einem Albtraum geworden. Er hat sich schon vor Stunden
angekündigt wie ein dunkles, unheilverkündendes Omen.
Ich versuche zu fassen, was passiert ist, doch es entzieht sich meines Fassungsvermögens. Vielleicht
kann ich es begreifen, wenn ich es niederschreibe, denn das muss ich, da die Geldsorgen nach wie
vor wie ein Damoklesschwert über dem Hause Upton hängen und jedes Vorbeischwingen der
vernichtenden Klinge näher scheint. Ich gebe dem Anwesen und Stolz der Familie Upton nur noch
wenige Jahre. Wenn sich bis dahin nicht maßgeblich etwas an dem Umgang mit den Finanzen
geändert hat, wird nichts mehr Andres übrigbleiben, als das Anwesen zu veräußern und …
Aber ich schweife ab, ich flüchte vor der grausamen Realität dieses Tages in vertraute
Gedankenstrukturen.
Es braucht all meine Kraft, es in Worte zu fassen und meine Finger zittern, wenn ich versuche, es aufs
Papier zu bringen. Ich brauche mehr Tee.
9:18 pm
Der gute Mr. Wallace saß bis eben stumm neben mir im Aufenthaltsraum. Es gibt nichts zu sagen.
Jedes Wort wiegt schwer wie Blei. Der Sturm tobt noch immer um das Haus und hat –
glücklicherweise, möchte man sagen – alle angemeldeten Gäste zur Absage gezwungen. Jede
Weihnachtsstimmung scheint für immer vernichtet worden zu sein. Vielleicht ist es gut, dass nun
niemand an die morgige Bescherung denkt, da die mager ausfallenden Geschenke der
beklemmenden Stimmung kaum zuträglich wären.
Aber das Geld scheint gerade so unendlich trivial vor dem Hintergrund der heutigen Ereignisse.
Eigentlich war es nur ein Ereignis. Es begann mit einer freudigen Nachricht, Lady Margarets Zofe Ms.
Callahan eilte aufgeregt zu uns und drängte darauf, einen Arzt zu rufen, die Wehen der Lady hätten
eingesetzt. Natürlich war das ganze Haus, das bis eben noch mit den Vorbereitungen für die große
Feier beschäftigt gewesen war, augenblicklich in freudiger Erregung, alles eilte aus anderen Gründen
durch Flure und Zimmer, um die Niederkunft vorzubereiten. Mr. Wallace, Mr. Fauntleroy und ich
hatten die Ehre, mit seiner Lordschaft im Blauen Salon zu warten. Auch die Gefühle der jungen Lady
Clara hatte ich geschafft, mit nur ein paar wenigen guten Worten von furchtsamer Unsicherheit in
freudige Erwartung zu verwandeln.
All unsere Freude scheint im Rückblick wie eine Farce. Schon der erste, laute Schmerzensschrei der
Lady hätte alles in uns erstarren lassen müssen, aber Schreie sind normal bei einer Geburt, nicht
wahr? Ich mache mir Vorwürfe, hätte ein Verbringen in ein Hospital ihr helfen können? All die
Gedanken an Sparen ließen in mir gar nicht erst das Denken an die Gefahr einer so späten
Schwangerschaft aufkommen. Aber ich bin auch kein Arzt und jedes Hadern bringt sie nicht zurück.
Der junge Lord und die Lady sind gemeinsam gegangen, möge sich der Allmächtige ihrer annehmen
und ihren zuletzt so gequälten Seelen Ruhe bringen.
Da steht es, ich habe es endlich geschrieben. Und es bricht mir das Herz. Ich brauche frische Luft.
10:12 pm
Der Sturm macht das Hinausgehen eigentlich unmöglich, dennoch habe ich ihm eine Viertelstunde
getrotzt. Die Beerdigung will organisiert werden. Ich fühle mich leer.
Tagebuch Frederic Sterling, 27. März 2013, 9:13 am
Soeben habe ich Ms. Smith die Kündigung ausgesprochen. Ich glaube, sie sah es kommen, dennoch
brach sie in Tränen aus. Eine solche Situation droht mich jedes Mal zu überfordern. Wie geht man mit
einer weinenden, jungen Dame um? Die Gründe habe ich ihr - wie auch schon Ms. Callahan zuletzt im
Januar - möglichst einfühlsam erläutert, denn wir müssen dringend sparen. Und auch wenn wir ein
Hausmädchen eigentlich wirklich brauchen, können wir uns ihre Dienste leider nicht länger leisten.
(Die anfallenden Aufgaben müssen nun Mr. Merryweather und Ms. Hastings übernehmen. Ich hoffe,
dass sie mir dafür nicht zu böse sein werden.) Möglicherweise war Ms. Smith auch nur bestürzt
darüber, Mr. Merryweather Lebewohl sagen zu müssen. Sie schien ja durchaus Gefallen an ihm
gefunden zu haben, obwohl ich nicht so recht weiß, was sie an ihm findet. Ja, er erledigt seine Sache
sehr gut, aber charakterlich erscheint er mir eher als Katastrophe. Möglicherweise ist das ein Trend
der jungen Leute, sich zu solchen Leuten hingezogen zu fühlen.
11:21 am
Lady Cassandra hat die Nachricht von der Entlassung „ihres“ Mädchens, wie sie es nannte,
erwartungsgemäß schlecht aufgenommen und sich über die Verwahrlosung der Sitten echauffiert, da
ja nun auch Mr. Merryweather ihre Damen-Gemächer aufsuchen muss, um sie zu bedienen. Meine
Erklärung, dass dies eine Sparmaßnahme sei, wollte sie gar nicht hören und begann augenblicklich,
über ihre verstorbene Schwiegertochter zu schimpfen. Das hat Lady Margaret – Gott hab sie selig –
wahrlich nicht verdient.
Ich fürchte, dass ich irgendwann gegenüber der ehrwürdigen Lady ungehalten werden könnte. Möge
Gott mich in dem Moment zügeln!
Tagebuch Frederic Sterling, 21. Juni 1913, 9:12 pm
Zunächst schien es heute ein normaler Tag zu werden, alles verlief ganz nach Plan. Bis Ben aufgeregt
nach einem Tierarzt verlangte, da das Lieblingspferd seiner Lordschaft, die Stute Penelope, kurz vor
der Niederkunft stünde und möglicherweise ein Problem vorläge. Unweigerlich zog ich in Gedanken
Parallelen zu unserer werten Lady Margaret – Gott hab sie selig. Allerdings ist die Trächtigkeit
Penelopes von Erfolg gekrönt worden. Ihr Fohlen ist zum Glück wohl und munter, aber sie selbst
scheint erkrankt. Wir hoffen alle, dass der Lord nicht noch einen Verlust betrauern muss.
Tagebuch Frederic Sterling, 27. Juni 1913, 4:32 pm
Der Verlust, vor dem wir alle Angst hatten, ist leider eingetreten – wenn auch nicht wie vorerst
befürchtet. Das junge Fohlen Penelopes ist heute von uns gegangen. Keiner weiß so recht warum.
Überraschenderweise hat sich im Gegenzug dazu aber Penelope gänzlich von ihrer rätselhaften
Krankheit erholt. Weniger bodenständige Nerdân - Personen mögen das als Werk dunkler Feen oder ähnlicher
Hirngespinste ansehen. In meinen Augen ist es ein – wenn auch eigentümlicher – Zufall.
Tagebuch Frederic Sterling, 17. August 1913, 8:43 pm
Mr. Merryweather wird uns verlassen! Nach einem Gespräch mit dem werten Lord über die
finanzielle Lage des Anwesens und der Familie habe ich unserem Diener heute Nachmittag
gekündigt. Ist es verwerflich, dass ich darüber Freude empfinde? Nun, in Anbetracht seiner wirklich
vorbildlich erledigten Arbeiten ist es ein Verlust, aber er als Person wird er wohl kaum jemandem
hier wirklich fehlen. Natürlich wurde ihm wie auch den anderen zuvor eingeräumt, dass er bei uns
verweilen kann, bis er eine angemessene Stelle andernorts findet. Ich hoffe, dass er diese Anstellung
bald findet und dort keine jungen Frauen sind, die sich so leicht den Kopf verdrehen und das Herz
brechen lassen.
Die junge Lady Clara ist zunehmend verschlossener. Von ihrer Lebensfreude, die im letzten Jahr noch
aus jeder ihrer Gesten und Worte gesprüht hat, scheint nichts mehr übrig zu sein. Der Verlust ihrer
Mutter und des kleinen Bruders muss sie wahrlich tief verletzt und gebrochen haben. Ich wünschte,
man könnte ihr irgendwie helfen.
Tagebuch Frederic Sterling, 12. September 1913, 3:39 pm
Die Stimmung im Hause Upton ist eigentümlich. Es scheint Aufregung innerhalb des Personals zu
geben. Ben scheint aufgewühlt und es wirkt fast so, als hätte es mit Ms. Sauertopf und Mr. Wallace
zu tun. Alle drei wirken seltsam zerknirscht. Ob ich nachfragen soll? Aber letztlich geht es mich nichts
an … denke ich.
Mr. Merryweather ist immer noch hier, ich zähle bereits die Stunden …
Ich habe mich endlich dazu durchgerungen, den werten Lord auf meinen Fund von vor wenigen
Tagen anzusprechen. Es ist nie einfach, einer Herrschaft Hinterhältigkeit zu unterstellen – auch wenn
ich das nicht beabsichtigt habe, aber allein dass ich ihn fragen muss, ob er mir etwas verschwiegen
hat, impliziert diesen möglichen Verdacht ja bereits. Einerseits bin ich erleichtert, dass es zwischen
uns zu keinem Zerwürfnis kam und er tatsächlich nichts vor mir geheim zu halten scheint, was die
Finanzen angeht. Andererseits drängt sich nun die bohrende und schlafraubende Frage nur noch
nachhaltiger in meinen Geist: Wer hat es geschafft, sich den horrenden Betrag von 500 Pfund zu
stehlen, ohne dass der werte Lord oder ich es direkt bemerkt haben? Gibt es noch jemanden, der in
das Büro des Lords kommt?
Tagebuch Frederic Sterling, 13. September 1913, 9:31 am
Der Tag begann wie jeder andere, wir frühstückten gemeinsam im Aufenthaltsraum der Angestellten.
Es war nicht so ungewöhnlich, dass der werte Lord noch nicht zum Frühstück klingelte, er schläft
zurzeit oft in den Tag hinein, was ich ihm angesichts der allgemeinen, sehr deprimierenden Situation
nicht einmal verübeln kann. Ms. Hastings ging schließlich ohne Aufforderung durch die junge Lady
mit einem Frühstückstablett nach oben, da das Ausbleiben dieser Klingel durchaus ungewöhnlich
war. Ich habe mich zum Rechnungen durchgehen und Buchführen zurückgezogen, schließlich muss
ich immer noch herausfinden, wohin die 500 Pfund verschwunden sind. Ich brauche mehr Tee.
Während ich meiner Arbeit nachgegangen bin, muss sich Ms. Hastings an etwas geschnitten haben,
ich sah nur, dass Mr. Wallace sie aufgebracht zu Ms. Sauertopf in die Küche gezerrt hat. Das arme
Mädchen, er könnte wohl etwas feinfühliger sein. Andererseits bin ich das auch nicht immer, also
wer bin ich, hier zu urteilen?
Sie rufen mich.
9:32 pm
Mir ist immer noch übel. Schon das gute Frühstück musste ich leider von mir geben und ich habe
trotz der fortgeschrittenen Stunde keine Intention, meinen Magen erneut zu füllen. Ich hoffe, ich
schaffe es, die Geschehnisse des Tages zu rekapitulieren, ohne den Abort erneut aufsuchen zu
müssen.
Der bemitleidenswerte Lord hat so bitterlich geweint, dass mir allein beim Gedanken daran die
Augen feucht werden. Die Flut schien selbst zu stark für mein Taschentuch, doch wenn ich damit
auch nur einen kleinen Trost spenden, eine winzige Hilfe leisten konnte, so tat das gerne, denn ich
schätze seine Lordschaft über alle Maßen. Viel lieber würde ich so gerne mehr für ihn tun, ihm das
Leid erleichtern, alles ungeschehen machen. Ich zweifle am Allmächtigen, denn kein einzelner
Mensch hat so viel Trauer und Verlust in nicht einmal einem Jahr verdient. Zum Glück hat er sie nicht
sehen müssen, diese zerbrechlich wirkende, junge Frau an einem Strick an der Decke hängend. Fast
noch ein Kind.
Warum hat sie mit niemandem gesprochen? Warum hat sie das getan, ohne vorher nach einem
anderen Ausweg zu suchen? Sie war doch so ein aufgewecktes und freundliches Mädchen und …
zuletzt wohl vollkommen gebrochen und ohne Perspektive. Hätten wir aufmerksamer sein sollen,
mehr mit ihr reden, sie eventuell zum Reden nötigen? Vermutlich hätte es keinen Sinn gehabt und es
stünde uns auch nicht zu. Nun liegt sie bei ihrer Mutter und ihrem Bruder – Gott hab sie selig.
Vielleicht ist es das, was sie sich seit Weihnachten wünschte? Ich hoffe sehr, dass die drei nun an
einem besseren Ort sind, auch wenn ich als guter Christ weiß, dass es nicht so sein kann, denn für
Selbstmörder gibt es keinen Platz im Paradies. Es gab auch keinen Pfarrer für sie und keinen Arzt.
Und das nicht einmal deshalb, weil wir nicht das Geld dafür haben. Es diente dem Schutz des Hauses
und Namens Upton, der Vermeidung eines möglichen Skandals.
Ihr Abschiedsbrief war grotesk und schrie trotz der wenigen Worte so laut um Hilfe, dass es mir das
Herz bricht, ihn nicht vernommen zu haben all die Male, in denen sie an mir vorüber lief, grüßend
nickte und den Blick wieder senkte.
- „Ich fühle es!
- Es kann nicht sein. Es darf nicht sein!
- Es muss ein Ende haben!“
- „Ich fühle es!
Für mich spricht pure Panik und Verzweiflung aus diesen Zeilen. Und noch etwas, für das Ms.
Hastings leider auch ein weiteres Indiz gefunden hat. Scheinbar hat Lady Clara das Laken ihres
eigenen oder eines anderen Bettes selbst unter den Dielen ihres Zimmers versteckt, damit niemand
die kleinen Blutflecken darauf entdecken kann. Wir alle denken dasselbe und es ist auch der Grund,
warum wir keinen Arzt hinzugezogen haben: Sie muss schwanger gewesen sein und hat sich deshalb
das Leben genommen. Allein der Selbstmord würde schon für Schande sorgen, sollte eine
außereheliche Schwangerschaft herauskommen, wäre der Ruf des Hauses, des werten Lords vollends
ruiniert. Niemals hätte sie neben ihrer Mutter Ruhe finden können und dem werten Lord wäre nie
Ruhe vergönnt mehr im Leben. Ich hoffe sehr, dass er die Stärke besitzt, nun nicht auch einfach
aufzugeben – und doch würde ich es verstehen. Tee. Mehr Tee.
Fast glaube ich mir selbst nicht, aber ich bin tatsächlich froh darum, dass Mr. Merryweather noch
hier ist. Er hat tatsächlich einen Sarg aufgetrieben, ohne dass blöde Fragen gestellt wurden. Dass
mein Verstand hämmert, wie er es schaffen kann, einen Sarg in der Größe eines Erwachsenen zu
bekommen, ohne dass er hinterfragt wird, ignoriere ich geflissentlich. Es ist nur wichtig, dass Lady
Clara in der Familiengruft zur Ruhe gebettet werden konnte. Wir haben sie mit vereinten Kräften
dorthin verbracht – natürlich auch mit dem Wissen des armen Lords. Zwar wollte er erst einen Arzt
kontaktieren, nachdem ich meine Bedenken geäußert habe, hat er aber selbst davon abgesehen und
uns freie Hand gegeben. Er war so niedergeschlagen, so unendlich am Boden zerstört.
Nachtrag:
Und Lady Cassandra hat es geschafft, mich so weit zu bekommen, dass ich sie barsch auf ihr Zimmer verwiesen habe. Sie wäre sonst auch mitten in die Szene in Lady Calaras Zimmer geplatzt und wer weiß, wie es dann geendet hätte. Wer wird ihr diese neue Entwicklung wohl beibringen müssen? Mr. Merryweather? Ja, ich bin tatsächlich froh, dass er noch hier ist.